Dort wo sich die beiden großen Gebirgszüge Persiens, der kleinere, aber höhere, Ost-West verlaufende Elburs, mit dem 5600 m hohen Damavant und das mächtige, breitgestaffelte, von Südost nach Nordwest ziehende Zagrosgebirge treffen, liegt im äußersten Nordwesten die iranische Provinz Tabriz. Es ist ein Hochland vulkanischen Ursprungs mit fruchtbaren, weiten Beckenlandschaften und Senken, die intensiv landwitschaftlich genutzt werden. Bewohnt wird diese Provinz mit der größten Bevölkerungszahl vornehmlich von der stärksten Minderheit des Iran, den Azerbaidjanern, einem Turkvolk mit südtürkischer Sprache, ähnlich dem eigentlichen türkischen und türkmenischen. Wie alle Provinzen hat auch Azerbaidjan eine bewegte Geschichte hinter sich. In der Herrschaft des damals viel größeren Azerbaidjan wechselten sich Meder, Achämeniden, die Diadochen nach dem Tode Alexanders (Seleukiden), Parther und Sassaniden ab.

Im ersten Weltkrieg wechselten sich Russen und Engländer ab. Nach dem Krieg war Azerbaidjan wieder persisch, und wurde 1941 neuerlich von der Sowjetunion okkupiert und ist erst seit 1946 wieder Bestandteil des Iran. Die Azerbaidjaner Frauen werden gerühmt wegen ihrer Qualitäten als Hausfrau. Sie sind fleißig, sauber, ordentlich, umsorgen ihren Mann, dem sie ihre Zuneigung auch zeigen, sticken Tischdecken und Vorhänge. Sie kochen gut und nachdem Geschmack des Mannes, bereiten beste Mehlspeisen, Marmeladen und legen Früchte ein. Eine Spezialität ist ihr ,,kufte tabrizi”, ein großes faschiertes Leibchen. Auch der Schafskäse der über Tabriz gehandelt wird, ist weithin berühmt. Die in Azerbaidjan gehaltenen Schafe sind auf Erträge an Milch und Wolle gezüchtet und weniger als Fleischlieferanten. Winter und Sommerwolle werden in diesem uralten Schafhaltungs und Knüpfgebiet verwendet, wobei den saftigen Weiden von Maku, Resaie, Salmas und chuy die beste Wolle zu verdanken ist, die meist handgesponnen an die Manufakturen und Dorfgemeinschaften der Teppichzentren von Tabriz, Heris, Gorawan, Gharadje, Sarab und Ardebil, um die wichtigsten zu nennen, geliefert wird. Einige Nomadenstämme, dem Wanderhirtenleben treu geblieben, sind Selbstversorger.

In den Manufakturen, die stets peinlich sauber gehalten werden und wo die Knüpfer nach Geschlechtern getrennt werken, erschallt aus Lautsprechern leise Musik, um der Eintönigkeit der Arbeit entgegenzuwirken. Vornehmlich wird im türkischen Knoten geknüpft, der ,,djufti” (über vier, statt zwei Kettfäden geschlungen) ist verpönt. Die Manufakturen stehen unter Leitung von Meistern, die den Namen ,, Ostad” tragen, eine Anrede, die auch Universitätsprofessoren gebührt. Ein arabisches Lehnwort (das wiederum auf eine altpersische Bezeichnung zurückgeht), mit Meister oder ,,Maestro” zu übersetzen, eine Anrede, die auch bei uns z.B. für große Dichter, Maler, Musiker, Dirigent etc. üblich ist.

Aus der Schule der Amoghli (Ende des 19. Jahrhunderts) sind viele bedeutende Meister hervorgegangen, die auch in anderen Knüpfzentren Fuß fassen konnten. Dieser Künstler stellte immer nur Einzelstücke her. Erst wurden Musterzeichner bemüht. Wenn der Entwurf – nach vielen Änderungen – dem Meister gefiel, begann die Farbenauswahl, die ebenfalls längere Versuche bedingte. Schließlich wurden die Vorlagen auf Milimeterpapier hergestellt. Die gesamte Prozedur dauerte zwei Jahre ehe mit dem Knüpfen begonnen werden konnte. Auch als Restaurateure sind Azerbaidjaner überall begehrt.

Während in Europa und Amerika meist Perser als Händler tätig sind, ist der inneriranische Handel vorwiegend Azerbaidjanern vorbehalten, wobei der Händler mit seinem lustigen türkischen Akzent eine einzigartige Show abzieht. Durch den Fleiß und die Tüchtigkeit der Azerbaidjaner ist es keine Seltenheit, daß Arbeiter zu Großhändlern und Unternehmern aufsteigen. So wurde z.B. ein einfacher Träger Inhaber einer Teppichwaschanstalt in Tehran. Die zu Geld und Ansehen Gekommenen tragen ihr Vermögen meist nicht zur Bank. Mohammad hat ja den Zinswucher verboten. Er kauft Teppiche, die im Wert steigen. So erhält der Mann indirekt Zinsen. Eines Tages benötigt er die Teppiche z.B. als Startkapital für die Geschäftseröffnung eines Sohnes oder zur Kostendeckung der Hochzeit einer Tochter, die er nicht selten seinem Geschäftspartner als Frau anbietet und der er auch mindestens einen Teppich als Mitgift spendieren muß.

Heute hat sich Tabriz, welches trotz aller Fährnisse niemals aufgegeben hat, mit 1,5 Millionen Einwohnern zu viertgrößten Stadt des Iran gemausert. Große, breite, schöne und saubere Straßen durchziehen Tabriz. Im alten Bazar kann man Silberschmiede und Teppichknüpfer bewundern, und belebte Karwansereien zeugen von der ungebrochenen Kraft als Handelszentrum, wenngleich nun Tehran als Metropole mit seinem zentralen Zollamt Tabriz den Rang abgelaufen hat. In jener Zeit ging praktisch der gesamte Teppichhandel über Tabriz. Seit dem 15. Jahrhundert erfolgte der Export nach Europa über das osttürkische Erzurum nach dem Schwarzmeerhafen Trapzon und mit dem Schiff nach Istanbul; von da aus weiter in die europäischen Hafen, wobei später auch der östereichische Triestiner Lloyd eine bedeutende Rolle spielte.

Die ältesten bekannten Prachtteppiche stammen aus dem Raum von Tabriz. Sie sind heute in den Museen von New York, Paris, Wien, Mailand, Lissabon und vor allem London zu bewundern. Die Teppiche, die heute in Tabriz aus Wolle, Wolle mit Seide oder Seide allein hergestellt werden, spiegeln die gesamte Palette der Begabung der Knüpfkunst wieder. Neben den bevorzugten Shah-Abbas-Motiven finden sich genauso durchlaufende Rapport-(z.B. Fisch oder Botteh-)Motive, alte Nomadenmuster in Anlehnung an die Kaukasustypen sowie Baum und Jagdteppiche. Steigender Beliebtheit erfreuen sich Bestellungen von Bilder- und Portraitteppichen, wobei einerseits ganze Landschaften mit Gebäuden (Moscheen), Menschen und Tieren gewünscht werden, andererseits Abbildungen von Dichtern (Hafez, Saadi etc.) und schönen Frauen. In feinster Knüpfung sind mit türkischen Knoten auch geschwungene Linien möglich. So sind Teppiche mit über eine Million Knoten/m2 keine Seltenheit mehr. Ein Prachtstück von 1,80 x 200 m mit 5 Millionen Knoten/m2 wiegt dann nur 1,5kg! Leider bevorzugt der sparsame Azerbaidjaner bei den normalen Tabriz Teppichen einen sehr niederen flor, der sich verhältnismäßig schnell abtritt.

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